Ich konzentriere mich in meinen Arbeiten und Projekten auf die Darstellung von Text, Zeichen und Sprache. Dabei interessieren mich die Begriffe Schriftbild, Satzform und Lesbarkeit. Als Bildträger verwende ich vorwiegend industriell gefertigte Materialien wie Multiplex-Platten, Papier, Glas oder Aluminium. Gerne arbeite ich auch direkt auf meine Studiowand.
In my work and projects I focus on the representation of text, signs and language. I am interested in the concepts of typeface, sentence form and legibility. As image carriers I use mainly industrially manufactured materials such as multiplex panels, paper, glass or aluminum. I also like to work directly on my studio wall.
Ludwig Wittgenstein: Sätze und Gedanken verhalten sich zur Welt wie Bilder sich zur Welt verhalten.
Ludwig Wittgenstein: Sentences and thoughts relate to the world as pictures relate to the world.
Für mich war Schrift immer greifbar. Ich habe Schrift als Objekte gesehen. Schrift ist für mich physisch, materiell. Ich habe Schrift gegossen, geschnitten, zu Worten und Sätzen zusammen gesetzt schlussendlich gedruckt.
Wie richtet sich der Fokus auf das Verhältnis von Text (Schriftbild) und Inhalt. Inwieweit lassen sich textliche Gedankengänge auf die skulpturale und plakativen Trägermedien bringen.
Ich habe ein Trägermaterial, welchen Text verwende ich für dieses Material. Das ist ein ausbalancieren. Wie steht der Text auf diesem Material. Inwieweit spielt Inhalt und Sinnhaftigkeit eine Rolle.
Und genau diesen Dualismus und die unterschiedliche, subjektive Interpretationsmöglichkeit möchte ich in meinen Wort- und Spracharbeiten zeigen. Ich möchte eine visuelle Korrespondenz zwischen der Struktur des Wortes, seiner Bedeutung und dem Trägermedium herzustellen.
For me, letters were always tangible. I have seen letters as objects. For me, writing is physical, material. I have cast type, cut it, put it together into words and sentences, and finally printed it.
How does the focus turn to the relationship between text (letter image) and content? To what extent can textual thought processes be brought onto the sculptural and striking carrier media.
I have a support material, what text do I use for that material. That is a balancing. How does the text stand on this material. To what extent does content and meaningfulness play a role.
And it is exactly this dualism and the different, subjective interpretation possibilities that I would like to show in my word and language works. I want to find a visual correspondence between the structure of the word, its meaning and the carrier medium.
Die Texte, die ich verwende sind mehrheitlich gefundenes Material. Sie erfüllten in einem anderen Zusammenhang schon ihren Zweck und hatten eine Bestimmung. Sei es als Werbetext, als Text für Gebrauchsanweisungen, zu Dokumentationszwecken oder als Hinweise. Diese Auswahl an Zeichen, Interpunktionen, Zwischenräumen oder Formen benutze ich um in der Anordnung eine neue Sinnhaftigkeit und Bedeutung zu erlangen.
The texts I use are mostly found material. They already served their purpose in another context and had a purpose. Be it as advertising text, as text for instructions for use, for documentation purposes or as notes. I use this selection of signs, punctuations, spaces or forms to gain a new sense and meaning in the arrangement.
Nicht jeder weiss, dass wir die letztgültige Bestimmung des Begriffes «Ordnung» nicht Platon, Hegel oder Adorno, sondern dem grossen Gatsby verdanken. Nicht der literarischen Figur Gatsby. Ganz im Gegenteil. Dem Autor Fitzgerald wären in diesem Zusammenhang vielmehr die allergrössten Vorwürfe zu machen. Sein Werk, «Der grosse Gatsby», hat eine Riesenchance verpasst. Es könnte heute einen Focus Classicus enthalten vom Format der Proustschen Madeleine, tausendmal täglich zitiert. Nichts dergleichen ist jedoch der Fall. Glatt verschenkt ist die Szene, glatt verschenkt in ein paar Sätzen.
Es musste erst Jack Clayton kommen. Natürlich. Es brauchte erst einen Regisseur aus Hollywood, der das Potential dieser grossen Szene erkennt und ihr den angemessenen Raum gibt. Gatsby, der undurchsichtige, führt Daisy zum ersten Mal durch sein unglaublich palastartiges, neoklassizistisch-blitzweisses und luxuriös – aber – geschmackvoll möbliertes Haus an der Küste Floridas. Man gelangt in das Schlafzimmer. Da kommt’s: Gatsby ist von sich selbst geschwätzig begeistert. Er öffnet die Türen seines Wandschrankes, die praktisch als Altarflügel fungieren. Was wir sehen, sind Hemden: Hemden ohne Zahl, organisiert in idealen Stapeln zu jeweils einem Dutzend. Unwirklich akkurat sind diese Stapel angerichtet auf einzelnen Mahagonischüben, deren polierte Griffleisten duff aufglänzen. Totale: Das eben ist es. Ordnung. Ein Bild, drei Meter in der Breite, drei in der Höhe. Perfekt. Ordnung.
Was daraufhin passiert ist nurmehr ärgerlich: Die Schändung des jungfräulichen Arrangements, eine plumpe Anspielung auf den Sündenfall natürlich. In kindischem Übermut fordert Gatsby dazu auf, die edlen Stoffe zu befühlen. Einzeln zunächst und noch andächtig holt der Zweifelhafte die Hemden hervor. Dann wird er zusehends vom dionysischen Zahn befallen. Wild reisst er ganze Stapel heraus und wirft sie unter rasendem Gelächter durch den Raum. Gatsby zerstört. Wir mögen das nicht. Der Mann ist uns nicht geheuer. Was soll das? Wer soll das wiederaufräumen? Bestimmt nicht Gatsby. Der nicht.
Selbstverständlich versteht ausnahmslos jeder, was gemeint ist: Der Luxus beginnt dort, wo der Respekt vor dem schön-teuren aufhört. Da wird es nämlich in Besitz genommen. Das ist vollkommen klar, wir sind ja nicht doof. Vielmehr verhält es sich so, dass wir ja gerade deshalb Gatsby nicht mögen. Weil wir natürlich sehr wohl Respekt haben vor der Schönheit der Dinge. Noch mehr vor dem Wert der Dinge. Wir wissen, dass wir die Sachen nie so hinbekommen wie Gatsby, der über den Dingen steht. Er ist gross, wir sind klein. So ist es eben.
Zum Beispiel wären wir ja auch nicht imstande, die Villa Tugendhaft zu bewohnen. Was Mies van der Rohe da 1930 im malerischen Brünn gebaut hat, finden wir natürlich ganz, ganz herrlich. Wir finden unbedingt passend, wie Lilly Reich die Architektur durchmöbliert hat. Smaragdgrünes Leder, rubinroter Samt, schwarze Shantu-Seide. Das alles gegen Chrom und Glas und eine gigantische Onyx-Wand. Herrlich. Wer aber darin wohnen kann, muss zweifellos manisch sein oder grob ignorant oder eben über den Dingen stehen. Wie Gatsby. Der hätte darin wohnen können, natürlich. Das Haus war übrigens ein Hochzeitsgeschenk des Brautvaters an das junge Paar Tugendhaft, wenn wir uns recht erinnern. Kann man sich so etwas vorstellen?
Aber es ist ja gar nicht das Haus. Das weiss wiederum jeder, der schon mal von der Spring Street 101 in New York gehört hat. Dort war es nämlich Donald Judd, dem es gelang, ein vollkommen durchschnittliches Fabrikgebäude unbewohnbar zu machen, allen dadurch, dass er es möbliert hat. Oder eben weitgehend gerade nicht möbliert hat. Räume, die quälende Kindheits-Traumatas hervorkehren: Mach hier mal Ordnung! Jeder Raum ein stummer Vorwurf. Wenn man alles aufgeräumt hat, stört etwas doch immer noch. Man macht die Feststellung, es selbst zu sein. Man muss ausziehen, der Ordnung wegen.
Ja, so ist das. Ordnung hat ganz entschieden eine Dimension, die jenseits unserer geringfügigen Möglichkeiten liegt. Wir müssen einsehen, dass wir damit nichts zu schaffen haben. Ordnung gehört dem Universum der unerreichbaren Ideen an. Die gleissende Schönheit des Massverhältnis 5:7 ist nicht von dieser Welt und entsprechend auch intellektuell nicht berührter. Sie ist nur demütig anzuschauen.
Not everyone knows that we owe the ultimate definition of the term "order" not to Plato, Hegel or Adorno, but to the great Gatsby. Not to the literary figure Gatsby. Quite the opposite. On the contrary, the author Fitzgerald should be reproached in this context. His work, "The Great Gatsby," missed a huge opportunity. Today it could contain a Focus Classicus of the format of Proust's Madeleine, quoted a thousand times a day. Nothing of the sort is the case, however. The scene is wasted, wasted in a few sentences.
It had to be Jack Clayton first. Of course. It took a Hollywood director to recognize the potential of this great scene and give it the proper space. Gatsby, the opaque one, leads Daisy for the first time through his incredibly palatial, neoclassical-flash white and luxuriously - but - tastefully furnished house on the Florida coast. You get to the bedroom. Here it comes: Gatsby is gossipily enthusiastic about himself. He opens the doors of his closet, which practically act as altar wings. What we see are shirts: shirts without number, organized in ideal stacks of a dozen each. These stacks are arranged with unreal accuracy on individual mahogany drawers, their polished handles gleaming duff. Totale: That's just it. Order. A picture, three meters in width, three in height. Perfect. Order.
What happens next is only annoying: the desecration of the virginal arrangement, a crude allusion to the Fall of Man, of course. In childish exuberance, Gatsby invites the audience to touch the noble fabrics. Individually at first and still devoutly, the doubtful man takes out the shirts. Then he is visibly attacked by the Dionysian tooth. He wildly tears out whole piles and throws them across the room, laughing furiously. Gatsby destroys. We don't like it. We don't like the man. What's the point? Who's going to clean it up? Certainly not Gatsby. Not him.
Of course, everyone without exception understands what is meant: Luxury begins where respect for the beautiful-expensive ends. That's where it's taken possession of. That's perfectly clear, we're not stupid. Rather, it is precisely for this reason that we do not like Gatsby. Because, of course, we do have respect for the beauty of things. Even more so for the value of things. We know that we'll never be able to do things like Gatsby, who is above things. He's big, we're small. That's just the way it is.
For example, we would not be able to live in the Villa Tugendhaft. What Mies van der Rohe built there in 1930 in picturesque Brno is, of course, absolutely wonderful. We find it absolutely fitting how Lilly Reich furnished the architecture. Emerald green leather, ruby red velvet, black Shantu silk. All this against chrome and glass and a giant onyx wall. Gorgeous. But anyone who can live in it must undoubtedly be manic or grossly ignorant or just above it all. Like Gatsby. He could have lived in it, of course. The house, by the way, was a wedding gift from the bride's father to the young Tugendhaft couple, if we remember correctly. Can you imagine such a thing?
But it's not the house at all. Anyone who has ever heard of 101 Spring Street in New York knows that. There it was Donald Judd who succeeded in making a perfectly average factory building uninhabitable, all by furnishing it. Or, to a large extent, by not furnishing it at all. Rooms that bring out agonizing childhood traumas: Put this place in order! Every room a silent reproach. When you have tidied up everything, something still disturbs you. One makes the statement to be it oneself. One must move out, for the sake of order.
Yes, that's how it is. Order decidedly has a dimension that is beyond our minor possibilities. We must realize that we have nothing to do with it. Order belongs to the universe of unattainable ideas. The glistening beauty of the measure ratio 5:7 is not of this world and accordingly also intellectually not touched. It is to be looked at only humbly.
Sven Kröger, «Ordnung», in: Nummer 2, Hg. Kunsthaus Baselland, Muttenz 1998.